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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Umweltkommunikation

Kommunikation wird im folgenden als interdependenter Prozeß der Verständigung und des Austauschs von Informationen zwischen Personen und Personengruppen verstanden; Umweltkommunikation meint den Austausch von Informationen mit Bezug zur natürlichen Umwelt zwischen einem Sender und einem Empfänger. Sender und Empfänger der Umweltkommunikation sind z. B. Individuen, Unternehmen, Non-Governmental Organizations, Interessenverbände, staatliche oder staatlich eingesetzte Institutionen und nicht zuletzt die Medien. Bei den mitgeteilten Informationen handelt es sich in der Regel nicht um fixe Daten, die lediglich von Sender zu Empfänger transportiert werden: Wesentlich ist, daß der Empfänger von Umweltkommunikation übermittelten Daten nur dann eine Bedeutung beimessen kann, wenn die Daten, die Buchstaben, Laute, Bilder usw., für ihn einen bestimmten Sinn ergeben. Der Sender hofft und erwartet, daß die mitgeteilten Zeichen beim Empfänger Grundlage für Gedanken oder Handeln sind. Ein zielgerichteter Erfolg der Kommunikation ist somit wesentlich von gemeinsamen Konventionen über die Bedeutung der verwendeten Zeichen abhängig. Im folgenden werden Zielebenen der Umweltkommunikation differenziert und die sich aus ökonomischer Perspektive ergebenden Rahmenbedingungen und Besonderheiten der Umweltkommunikation dargestellt. Sodann werden die Akteure der Umweltkommunikation aufgezeigt und einige ihrer Instrumente benannt. Schließlich wird anhand von Kommunikationsereignissen des Umweltschutzes beispielhaft ein Einblick in die Geschichte der Umweltkommunikation gegeben. I. Zielebenen der Umweltkommunikation Ziel der Umweltkommunikation von Seiten des Senders ist es in der Regel, bei dem Empfänger bestimmte Verhaltensweisen zu induzieren. Dazu werden von der Umweltbewußtseinsforschung drei einander nachgelagerte Zielebenen differenziert: Kognitive Ebene Sämtliche Informationen und Kenntnisse eines Individuums über Natur und Umwelt bilden das Umweltwissen dieser Person. Zu diesen Informationen gehören auch individuelle Naturerlebnisse oder andere subjektive Wahrnehmungen ökologischer Zusammenhänge. Bewußtseinsebene Die Verarbeitung von Umweltwissen und Umweltwahrnehmung bildet das Umweltbewußtsein des Individuums. Dieses wird durch individuell unterschiedliche normative Werthaltungen und Handlungsbereitschaften mitbestimmt. Handlungsebene Umweltwissen und Umweltbewußtsein beeinflussen das Umweltverhalten des einzelnen und können zu umweltrelevanten Handlungsentscheidungen führen. Empirische Untersuchungen von Umweltwissen, Umweltbewußtsein und Umweltverhalten für Deutschland zeigten, daß das Wissen und die Kenntnisse der deutschen Bevölkerung über Natur und Umwelt nicht sehr umfangreich sind (de Haan/Kuckartz 1996). Das Umweltbewußtsein ist jedoch sehr ausgeprägt, Natur und Umwelt gelten den Deutschen als wesentliche Werte. Die Untersuchungen geben Hinweise darauf, daß dieses zum Ausdruck gebrachte hohe Umweltbewußtsein sich nicht nur auf Verhaltensabsichten und Zahlungsbereitschaften beschränkt: 1994 gaben 80% der Deutschen an, durch ihr eigenes Verhalten aktiv und bewußt zum Umweltschutz beigetragen zu haben, etwa durch Beteiligung am Recycling, durch den Kauf umweltfreundlicher Produkte u. a.. Gleichzeitig belegen gesamtwirtschaftliche Erhebungen über Umweltbelastungen jedoch, daß Luft- und Individualverkehr mitsamt den entsprechenden Emissionen weiter zunehmen, Energie- und Wasserverbrauch stagnieren und trotz Recycling mehr Müll produziert wird. Insofern haben Verhaltensänderungen der Bevölkerung insgesamt keine Verringerung der absoluten Umweltbelastungen bewirken können. Diese empirischen Ergebnisse scheinen die unterstellte Wirkungskette zwischen Umweltwissen und -wahrnehmung, Umweltbewußtsein und tatsächlichem Urnweltverhalten zu relativieren. Die Hypothese, daß Aufklärung schließlich zu entsprechendem Handeln führt, ist empirisch nur bedingt zu belegen; es lassen sich keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen Umweltwissen und Umweltbewußtsein bzw. zwischen Umweltbewußtsein und umweltrelevantem Handeln nachweisen. II. Rahmenbedingungen der Umweltkommunikation Dieses auf den ersten Blick irrationale Ergebnis stellt sich aus ökonomischer Perspektive anders dar. Hier weist das Gut „Umwelt“ einige Besonderheiten mit Bedeutung für die Umweltkommunikation auf: 1. Asymmetrie zwischen individuellem Nutzen und Gemeinnutzen Lange wurden Luft, Wasser oder überhaupt Umweltelemente von der ökonomischen Theorie als sogenannte freie Güter behandelt. Sie unterlagen zunächst keinen Knappheitsbedingungen. Inzwischen hat sich die Ansicht durchgesetzt, daß Umwelt durchaus ein knappes, nicht beliebig reproduzierbares Gut ist, das allerdings wesentliche Merkmale eines Kollektivgutes aufweist. -Kollektivgüter können anhand von zwei Kriterien definiert werden: (1) das Versagen des Ausschlußprinzipes und (2) Nichtrivalität beim Konsum dieses Gutes. Aus beiden Merkmalen folgt das Auftreten hoher externer Effekte. Ausstoß von Schadstoffen ist ein „public bad“, eine öffentliche Last, weil der Verursacher sie nicht in sein privatwirtschaftliches Entscheidungskalkül einbezieht. Ursache dafür können fehlende -Eigentumsrechte oder zu hohe Kosten der -Internalisierung sein. Solange die Nutzung „sauberer Luft“ durch ein Wirtschaftssubjekt die Nutzung durch andere nicht minderte, gab es auch keine Rivalität der Nutzung und damit keine spürbare Belastung Dritter. Inzwischen sind aber immer mehr Kumulations- und Oberlastungsphänomenen eingetreten; es besteht eine gewisse Rivalität im Konsum. Damit wird die Wiederherstellung der Umweltqualität oder die Verhinderung der Umweltbelastung zu einem öffentlichen Gut. Es ergeben sich die für Kollektivgüter typischen Verhaltensweisen: Wer durch sein Handeln Umweltgefährdungen in Kauf nimmt, gefährdet nicht nur sich selbst, sondern innerhalb eines bestimmten Wirkungskreises auch andere mit. Die Lasten seines Handelns werden auf die Allgemeinheit verteilt. Wer umgekehrt gegen die Umweltverschmutzung tätig werden will, darf nicht auf Unterstützung zählen, obwohl evtl. positive Effekte seines Handelns der Allgemeinheit zugute kommen. Jede Form der Umweltkommunikation muß diese Asymmetrie zwischen individuellem Handeln und Gemeinnutzen berücksichtigen. 2. Komplexität und Unsicherheit Einfache Ursache-Wirkungszusammenhänge sind im Bereich der natürlichen Umwelt eher die Ausnahme. Kausalgefüge in der Natur zeichnen sich meist durch einen hohen Komplexitätsgrad aus. Dies hat zur Folge, daß Umweltprobleme und -risiken für den einzelnen unmittelbar kaum zu erkennen sind. Als Grundlage für die Einschätzung von Handlungsfolgen müssen regelmäßig naturwissenschaftliche Erkenntnisse herangezogen werden, die allerdings nicht selten auch auf wissenschaftlicher Ebene noch umstritten sind. Für die Umweltkommunikation eröffnen sich damit Interpretations- und Entscheidungsspielräume bezüglich der Frage, welcher wissenschaftlichen Meinung im Einzelfall zu folgen ist, bzw. ob und wie Unsicherheiten der Ursache-Wirkungszusammenhänge kommuniziert werden sollen und können. Unabhängig davon aber muß jede Form der Umweltkommunikation zwischen wissenschaftlicher Erkenntnisformulierung und anderen, nicht-wissenschaftlichen Kommunikationskonventionen als Mittler und „Übersetzer“ auftreten. Komplexität und Unsicherheit bei Umweltproblemen können durch Kommunikationsleistungen in einer Weise gefiltert und aufbereitet werden, die es im positiven Fall ermöglicht, die einzelnen Sachfragen und Handlungsoptionen in das allgemeine gesellschaftliche oder gruppenspezifische Bewußtsein zu transportieren. 3. Abstraktion und Zeitverschiebung Weil Umweltprobleme und -risiken in ihrer Komplexität häufig für den Menschen weder sinnlich noch rational in angemessener Weise wahrnehmbar sind, wird ihnen im individuellen Bewußtsein und Handeln nicht selten eine nachrangige Position zugewiesen. Umweltbewußtsein wird wie eine Art von Luxusgut genutzt, dem man sich besonders dann widmet, wenn keine anderen gravierenden Probleme mit Vorrang zu lösen sind. Die teilweise enorme zeitliche Verzögerung zwischen umweltrelevantem Handeln des einzelnen und den kumulierten Konsequenzen für die Allgemeinheit, verstärkt durch die Intransparenz vieler Wirkungszusammenhänge, erfordertein hohes Abstraktionsvermögen und lange Planungszeiträume. Die Abstraktheit von Umweltproblemen und ihr zeitlich verzögertes kumulatives Auftreten können erklären, warum Umweltthemen und Umweltkommunikation allgemein recht deutlichen Aufmerksamkeitszyklen unterworfen sind. Sender ökologischer Kommunikation werden versuchen, der Komplexität und Zeitverzögerung von Umweltproblemen bei der Informationsvermittlung Rechnung zu tragen und Strategien für den Umgang mit Aufmerksamkeitszyklen zu entwickeln. 4. Meritorisierung Kollektivgut-Eigenschaften und noch immer unzureichende wissenschaftliche Fundierung von Ursache-Wirkungszusammenhängen im Umweltbereich erschweren eine ausschließlich an rationalen Kriterien von Nutzenzuwachs oder -verlust orientierte Kommunikation. Thematisiert wird nicht nur der individuelle Nutzen, sondern der Nutzen für die Allgemeinheit, sogar der Nutzen zukünftiger Generationen. Dies widerspricht dem ökonomischen Modellfall des sich stets rational verhaltenden homo oeconomicus: Dieser soll durch Umweltkommunikation motiviert werden, positive -externe Effekte (oder weniger negative) zu erzeugen. Ökologische Kommunikation ist mithin durch den Versuch der Meritorisierung geprägt: Für das Angebot meritorischer Güter werden nicht die individuellen, sondern die kollektiven Präferenzen als relevant angesehen. Widersprüchliche Aussagen der Naturwissenschaft zu den Folgen bestimmten umweltrelevanten Handelns verstärken den meritorisierenden oder moralisierenden Charakter der Umweltkommunikation, weil das Individuum die externen Effekte seines Handelns nicht wirklich abschätzen kann. Im Einzelfall werden sich Individuen nach der sog. Niedrigkostenhypothese um so eher moralisch verhalten, je geringer die ihnen durch dieses Verhalten entstehenden Kosten sind. Die Aufgabe ökologischer Kommunikation könnte es sein, weniger die negativ mit Nutzenverzicht assoziierten meritorischen Forderungen an das individuelle Verhalten zu postulieren, als potentiellen individuellen Nutzengewinn durch Naturgüter aufzuzeigen und so positiv in die Präferenzskala des Individuums zu integrieren. III. Akteure und Instrumente der Umweltkommunikation Differenziert man Umweltkommunikation nach verschiedenen Akteuren mit ihren jeweiligen Instrumenten, so muß auf die Komplexität realer Kommunikationsvorgänge hingewiesen werden. Bei der folgenden vereinfachten Darstellung kann ein wesentliches Element der Kommunikation, ihre prozessuale Vernetzung, nur sehr begrenzt gewürdigt werden. 1. Der Staat Von der Fiktion des Staates als an der Maximierung des Gemeinwohls interessierten „wohlwollenden Diktators“ hat die ökonomische Theorie schon seit einiger Zeit abgesehen: Ansätze einer Neuen Politischen Ökonomie scheinen eher geeignet, Motivation und Handlungsweisen von Politikern und Bürokraten zu erklären. Danach werden Umweltziele z. B. von Politikern und Parteien in dem Maße verfolgt, wie sie als wesentlich für die Wahl bzw. Wiederwahl angesehen werden. Sobald „der Staat“ als eine das Gemeinwohl maximierende Einheit differenziert wird in die Akteure eines politischen Prozesses, sind für Entscheidungen der Umweltpolitik die Einstellungen der Bürger zu Umweltproblemen, auch in der Abwägung zu anderen Problemfeldern, eine relevante Größe. Zu den Instrumenten der Umweltkommunikation, derer sich die mit staatlicher Gewalt versehenen Institutionen bedienen, gehören zunächst Gesetze und Verordnungen. Der Gesetzgeber sendet auf diese Weise Informationen mit hohem Verbindlichkeitsgrad an eine bestimmte Zielgruppe. Diese Informationen sind von zahlreichen weniger verbindlichen Kommunikationsformen auch anderer Akteure heeleitet anvefangen von Gesetzesentwürfen, Presseverlautbarungen der zuständigen Ministerien, Einwänden der Opposition, Stellungnahmen der Interessenverbände und NGOs (Non-Governmental Organizations), Berichterstattung durch die Medien und offiziellem wie inoffiziellem Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten. In Deutschland wird Umweltkommunikation in großem Umfang auch von staatlich eingesetzten, aber selbständigen Institutionen betrieben, z. B. durch das -Umweltbundesamt. Zu dessen gesetzlichen Aufgaben gehört es explizit, die Öffentlichkeit über Umweltfragen aufzuklären. Ministerien und Behörden nutzen alle Informations- und Kommunikationsinstrumente der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Broschüren, CD-ROM und Internet-Präsenz, Messebeteiligungen, aber auch spezielle Umwelt-Datenbanken, Studien und Berichte, Beratungsangebote und die Vergabe von Umweltzeichen (Blauer Engel). Neben der Umweltgesetzgebung im weitesten Sinne ist ein wesentliches Instrument hoheitlich geprägter Umweltkommunikation im Bereich der staatlichen Bildungspolitik zu erkennen. Wichtigste direkte Zielgruppe hier sind Schüler, wobei Umweltbildung zunächst bei der Lehrer- und Erzieherausbildung ansetzt. Die Implementierung hoheitlich geprägter Umweltkommunikation wird durch Behörden, Ämter, durch Verwaltungsorgane des Staates vollzogen. Diese Akteure, sogenannte Bürokraten, sind an die Umsetzung staatlicher Vorgaben gebunden, sie haben aber oft nicht unbedeutende Entscheidungsspielräume. Ihre Interessen im Sinne individueller Nutzenmaximierung jenseits direkter Umweltschutzziele können in der Ausweitung eigener Kompetenzen gesehen werden, besonders in der Budgeterweiterung. 2. Unternehmen Betrachtet man Unternehmen vorrangig als nach Gewinnmaximierung strebende Organisationen, so wird im Regelfall auch die vom Unternehmen ausgehende Umweltkommunikation diesem Gesamtziel untergeordnet werden. Im einzelnen kann Umweltkommunikation zur Kostensenkung ebenso eingesetzt werden wie zur Absatzförderung, sie kann aber auch als Schutz vor Produktions-, Transport- und Verwendungsrisiken dienen oder der Mitarbeitermotivation förderlich sein. Instrumente der Umweltkommunikation durch Unternehmen sind Umwelterklärungen, -berichte, -leitfäden, Broschüren, Handbücher und anderes an die Mitarbeiter oder Kunden und Shareholder gerichtetes Informationsmaterial, aber auch zielgerichtete Pressearbeit und Werbung sowie umweltorientierte Beratung und -Umweltsponsoring. In Unternehmen, deren Produktion größere Umweltrisiken beinhaltet, sollte man auf Krisenkommunikation vorbereitet sein. Ob der Einsatz von Umweltkommunikation zur Förderung des unternehmerischen Zieles der Gewinnmaximierung Erfolg zeitigt, ist in großem Maße abhängig von dem Stand des Umweltbewußtseins bei Mitarbeitern, Lieferanten, Kunden und Anteilseignern. 3. Interessenverbände und Umweltschutzorganisationen Allgemeines Ziel des Zusammenschlusses zu Interessenverbänden ist es, in Entscheidungsprozessen über die Einflußmöglichkeiten der einzelnen Mitglieder des Verbandes hinaus zu partizipieren. Die Bündelung von Einzelinteressen dient dem Aufbau von Verhandlungsmacht, dies gilt auch im Falle umweltrelevanter Entscheidungsprozesse. Während die Gründung von Interessenverbänden etwa für Industriezweige und Unternehmensbranchen ebenso wie der Zusammenschluß von Arbeitnehmern und Arbeitgebern relativ leicht auf die erwartete Erhöhung des individuellen Nutzens für die jeweiligen Mitglieder zurückgeführt werden kann, ist die Rolle von Umweltschutzorganisationen in Form von NGOs von der ökonomischen Theorie nur schwer zu erfassen. Von der Bürgerinitiative bis zur global agierenden Umweltschutzorganisation versuchen diese nicht-gewinnorientierten Institutionen, Allgemeininteressen, in diesem Fall spezifische Umweltschutzinteressen, in gesellschaftliche Entscheidungsprozesse einzubringen. Zur Förderung dieses Ziels kommunizieren sie über ihre Mitglieder und die Werbung neuer Mitglieder und Förderer, durch Informationsstände, Pressearbeit, Mailing-Aktionen, aber auch durch Werbung und über Internetangebote. Auch sogenanntes ÖkoLabelling, das Verleihen eigener Umweltzeichen für Produkte, die bestimmten Kriterien entsprechen, gehört zu den Instrumenten, die auf dieser Ebene des Zusammenschlusses von Interessen sinnvoll eingesetzt werden können. 4. Die Medien Unverzichtbar für den gesellschaftlichen Diskurs über Umweltthemen sind die Massenmedien. Sie spiegeln und prägen zugleich „öffentliche Meinung“. Die Informations- und Unterhaltungsziele ihrer Kommunikation sind nicht nur bei privatwirtschaftlich geführten Trägern stets vor dem Hintergrund eines unternehmerischen Zieles zu sehen, das zwischen Werbeeinnahmen und Auflagenhöhe oder Zuhörer- bzw. Zuschauerzahlen letztlich der Gewinnmaximierung folgen muß. Insofern bleiben auch hier die Fragen, ob, in welchem Ausmaß, wann und insbesondere wie Umweltthemen kommuniziert werden, zu einem nicht unbedeutenden Teil abhängig vom Umweltinteresse der Empfänger, der Bürger. Die große Bedeutung der Massenmedien bei der Vermittlung von Umweltinformationen belegen verschiedene Erhebungen im In- und Ausland (Krämer 1986). Jeder zweite Befragte gab an, sein Umweltwissen über die Medien zu beziehen, nur 17% berichteten, daß sie gezielt auf andere Informationsquellen zurückgreifen. Dennoch konnten zwischen dem Ausmaß der allgemeinen Mediennutzung und umweltrelevantem Handeln bisher keine positiven Zusammenhänge festgestellt werden. Die Bedeutung der Massenmedien in der Umweltkommunikation scheint besonders im Agenda-Setting zu liegen. Hier lassen sich deutliche Verbindungen zwischen massenmedialer Berichterstattung und öffentlichem Problembewußtsein nachweisen. 5. Der Bürger Der Bürger wurde bisher in erster Linie als Empfänger von Umweltkommunikation gewürdigt. Die Rückkoppelungswirkungen in einem interdependenten Kommunikationsprozeß wurden aus Gründen der Darstellbarkeit weitgehend außer acht gelassen. Als Sender von Umweltkommunikation muß der Bürger nicht notwendig zielgerichtet agieren. In einer demokratischen und marktwirtschaftlich orientierten Gesellschaft ist die Bedeutung seiner Entscheidungen hoch einzuschätzen. Mit der Wahlentscheidung des Bürgers werden die Präferenzen für umweltpolitische Entwicklungen in der kommenden Legislaturperiode bekanntgegeben; Politiker und Parteien, die an ihrer Wiederwahl interessiert sind, werden diese nicht ignorieren können. Besondere Bedeutung als Kommunikationsinstrument haben in Ländern mit marktwirtschaftlicher Orientierung die Kaufentscheidungen des Bürgers. Wie wird die weniger umweltschädliche Produktion von Gütern durch bevorzugten Kauf gewürdigt? Die in der Kaufentscheidung zum Ausdruck kommenden Präferenzen sind von Unternehmen zu entschlüsseln und in künftige Entscheidungen zu integrieren. Neben dem direkten Engagement in NGOs offenbaren Bürger ihre Präferenzen für Umweltschutz in der finanziellen Förderung solcher Organisationen. Ihre Nachfrage wird das Angebot der Medien zu umweltrelevanten Themen beeinflussen. Die in täglichem Handeln zum Ausdruck kommenden Werthaltungen der Bevölkerung gehen so als wesentliche Information in den Umweltdiskurs ein und prägen damit auch die Entscheidungen anderer Akteure. IV. Kommunikationsereignisse des Umweltschutzes Die Tatsache, daß Umweltgüter nur sehr begrenzt über den Koordinationsmechanismus des Marktes alloziiert werden können, die Komplexität und Unsicherheit ökologischer Zusammenhänge, das Erfordernis der Abstraktion von eigener Erfahrung und der hohe Grad der Meritorisierung erklären die besondere Bedeutung von Kommunikation für die Entwicklung des Umweltbewußtseins in Deutschland, aber auch weltweit. Einige Beispiele mögen andeuten, daß die Geschichte des Umweltschutzes wesentlich durch Kommunikationsereignisse geprägt ist. Rachel Carsons „Silent Spring“ Anfang der 60er Jahre versetzte ein Buch die US-amerikanische Öffentlichkeit in erste ökologische Empörungs- und Aufbruchstimmung. Unter dem Titel „Silent Spring“ veröffentlichte die Journalistin und Schriftstellerin Rachel Carson Anfang der sechziger Jahre die Ergebnisse ihrer Untersuchung über die Verseuchung der Natur mit landwirtschaftlichen Pestiziden. Das Buch wurde zum Bestseller, viele Amerikaner fühlten sich unmittelbar zu ökologischem Handeln motiviert. Es entstanden eine Vielzahl lokaler und regionaler Bürgerinitiativen wie auch eine Reihe nationaler Umweltorganisationen. Eine allgemeine Umorientierung der amerikanischen Gesellschaft begann. 1970 wurde die Environmental Protection Agency als nationale Umweltbehörde ins Leben gerufen und erste umfassende Umweltgesetze (Clean Air Act, Clean Water Act) erlassen. „Blauer Himmel über der Ruhr“ In Deutschland wurde der Umweltschutz durch politisch motivierte Kommunikation in das öffentliche Bewußtsein gebracht. Für die Bundestagswahl 1969 wurde die bildhafte Forderung nach einem wieder „blauen Himmel über der Ruhr“ als Kernelement des SPD-Wahlprogramms präsentiert. Willy Brandt gab in seiner Regierungserklärung als Bundeskanzler erstmals dem Umweltschutz hohe Priorität. In den Folgejahren wurden ein Umweltprogramm und mehrere Umweltgesetze beschlossen, die zu sichtbaren Erfolgen führten. „Die Grenzen des Wachstums“ 1972 veröffentlichte der Club of Rome eine modellgestützte Studie, die allgemein-verständlich die globalen Zusammenhänge zwischen Industrieproduktion, Bevölkerungsentwicklung, Umweltverschmutzung, Nahrungsmittelverbrauch und Nutzung natürlicher -Ressourcen problematisierte. Das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ erregte weltweites Aufsehen, nicht zuletzt weil darin erstmals das an quantitativem Wachstum orientierte Leitbild der damaligen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik radikal in Frage gestellt wurde. „Waldsterben“ Die als Katastrophenszenarien empfundenen Modellrechnungen des Club of Rome über die bevorstehende Erschöpfung der natürlichen Ressourcen führten im Zusammenhang mit der -Energiekrise in den siebziger Jahren zu einer Polarisierung von Ökonomie und Ökologie. Umweltschutzauflagen wurden immer häufiger als Wettbewerbsnachteil für die Wirtschaft dargestellt. Es kam zu einem relativen Stillstand der Umweltdebatte in Deutschland. Erst das Problem des Waldsterbens erzeugte Anfang der 80er Jahre eine neue Welle des Umweltbewußt-seins. So eindringlich wirkte das Bild vom „Waldsterben“, daß dieses deutsche Wort in viele Sprachen übernommen wurde. Umweltgipfel von Rio de Janeiro Seither haben die Institutionalisierung von Umweltschutzorganisationen, beginnend mit lokal tätigen Bürgerinitiativen bis hin zu den international aktiven Non-Governmental Organizations, wie auch die Etablierung der GRÜNEN als politische Partei und die damit einhergehende Berichterstattung durch die Medien das Umweltbewußtsein in Deutschland auf einem im internationalen Vergleich recht hohen Niveau gehalten. Ende der 80er Jahre gelang es der UN-Kommission für Wachstum und Entwicklung, mit der Einbindung von Umweltthemen in ein auch ökonomische und soziale Aspekte berücksichtigendes Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development), die Polarisierung von Ökonomie und Ökologie inhaltlich aufzubrechen. Durch die mediale Begleitung der UN-Umweltkonferenz von Rio de Janeiro im Jahr 1992 wurde Umweltschutz wieder zu einem öffentlichen Thema. Der Begriff der „Nachhaltigen Entwicklung“ konnte sich allerdings bisher nicht durchsetzen: Bei einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage im Auftrag des Umweltbundesamtes hatten Anfang des Jahres 2000 nur 13% der Deutschen schon einmal von Nachhaltiger Entwicklung gehört. Weiterführende Literatur: Brand, K.- W./ Eder, K.l Poferl, A.: Ökologische Kommunikation in Deutschland, Opladen 1997; De Haan, G. (Hrsg.): Umweltbewußtsein und Massenmedien. Perspektiven ökologischer Kommunikation, Berlin 1995; De Haan, G./Kuckartz, U.: Umweltbewußt-sein. Denken und Handeln in Umweltkrisen, Opladen 1996; Hilgers, M.: Ozonloch und Saumagen. Motivationsfragen der Umweltpolitik, Leipzig 1997; Krämer, A.: Ökologie und politische Öffentlichkeit. Zum Verhältnis von Massenmedien und Umweltproblematik, München 1986; Umweltbundesamt (Hrsg.): Umweltbewußtsein in Deutschland 2000. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage, Berlin 2000.



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